Значение и оценка позиции Лотце в споре о психологизме
- Авторы: Порта М.А.1
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Учреждения:
- Папский Католический университет Святого Павла
- Выпуск: Том 28, № 2 (2024): КАНТ В РОССИИ
- Страницы: 482-493
- Раздел: ИСТОРИЯ ФИЛОСОФИИ
- URL: https://journals.rudn.ru/philosophy/article/view/39820
- DOI: https://doi.org/10.22363/2313-2302-2024-28-2-482-493
- EDN: https://elibrary.ru/URGMCG
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Аннотация
Решающая роль Лотце в споре о психологизме отнюдь не ограничилась введением понятия значимости, как это принято считать или просто воспринимать как должное. Конечно, в принципе, противостояние между психологизмом и антипсихологизмом может быть понято как оппозиция между смешением и разделением психологии и логики. Однако преобладающая тенденция в подходе к спору о психологизме способствовала возникновению ошибочного представления о том, что антипсихологизм коррелирует с отсутствием интереса к вопросам субъективности. Однако если отвлечься от поверхностных обобщений и детально изучить полемику, то можно прийти к выводу о прямо противоположном, а именно: антипсихологизм способствовал глубокому пересмотру идеи субъективности как необходимого коррелятивного момента для обоснования возможности объективного знания. От Гербарта до Гуссерля происходило развитие антипсихологизма в том смысле, что антипсихологизм вырабатывал устраивающую его концепцию субъективности. Лотце представляет собой промежуточный момент в этом процессе, поскольку, с одной стороны, он делает решительный шаг против Гербарта в сторону преодоления натуралистической идеи субъективности, которая сделала возможной идею спонтанного суждения, но, с другой стороны, вместе с Гербартом он цепляется за неограниченную силу принципа имманентности, принципа, который станет предметом явной критики со стороны Фреге и Гуссерля. У последнего, как известно, преодоление психологизма происходит как окончательное преодоление натурализма.
Ключевые слова
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Einführung
Die wenigen, der Name Lotze etwas sagt, werden ihn sicherlich mit der Einführung des Begriffs der Geltung in seiner “Logik” im Rahmen seiner berühmten Neuinterpretation der platonischen Ideenlehre verbinden [1. S. 507]. Es gibt aber noch ein weiteres wesentliches Element in Lotzes Philosophie: sein ständiges Bemühen, seine Geltungstheorie mit einem adäquaten subjektiven Korrelat auszustatten und damit die Möglichkeit der objektiven Bewertung als einen in einem realen psychologischen Subjekt vollzogenen Akt zu begründen und zu legitimieren. Um das Vorhandensein einer Theorie in dieser Hinsicht bei diesem Denker zu erkennen, ist es natürlich notwendig, seine Psychologie im Detail zu betrachten, wofür sich heute nur wenige Experten auf der Welt interessieren.
Die Bedeutung und Notwendigkeit der Beschäftigung mit dem Verhältnis von Psychologie und Logik bei Lotze ist nur ein Aspekt eines viel umfassenderen Horizonts. Die vorherrschende Tendenz in der Herangehensweise des Psychologismusstreits (PS) hat zur Verbreitung des Missverständnisses beigetragen, dass der Antipsychologismus ein Desinteresse an Fragen der Subjektivität zum Korrelat habe. Wenn man sich jedoch von oberflächlichen Verallgemeinerungen löst und die Polemik im Detail studiert, kommt man zu dem Schluss, dass genau das Gegenteil der Fall ist, nämlich dass der Antipsychologismus eine tiefgreifende Revision der Idee der Subjektivität als notwendiges Korrelationsmoment für die Begründung der Möglichkeit objektiver Erkenntnis vorantrieb. Lotze ist also alles andere als eine Ausnahme von der Regel, sondern eher eine Bestätigung derselben. Für den Leser, der sich über unsere Behauptungen wundert, könnte nichts nützlicher sein, als die Erinnerung daran, dass Husserl eine kulminierende Figur in dem PS ist und dass die Phänomenologie nicht zufällig, sondern aus einer zwingenden systematischen Notwendigkeit heraus, dem logischen Realismus des XIX Jahrhunderts sein notwendiges Komplement liefert und in der Folge durch die transzendentale Reduktion eine neue Form der Überwindung des Psychologismus bietet, die die Subjektivität ins Zentrum stellt. So gesehen ist die Husserl‘sche idealistische Wende, auch wenn sie unter anderen Gesichtspunkten als konsequente Weiterentwicklung des phänomenologischen Programms in Frage gestellt werden kann, eine endgültige Radikalisierung einer Tendenz, die in allen Phasen des Antipsychologismus in verschiedenen Formen bereits vorhanden war.
Auch wenn der Prozess, auf den wir uns bezogen haben, äußerst komplex ist, so ist doch klar, dass in ihm mehrere Momente zu unterscheiden sind: Herbart stellt das erste und Lotze das zweite dieser beiden Momente dar und zwar auf zwei Ebenen, denn die Formulierung und Reformulierung der logischen Ebene geht mit einer Formulierung und Reformulierung der Idee der Subjektivität einher. Um Lotze und Herbart im Hinblick auf ihre Rolle in dem PS zu vergleichen, müssen wir nicht nur ihre Logiken vergleichen, sondern auch ihre Psychologien und darüber hinaus das Verhältnis, in dem erstere zu letzteren stehen.
Es herrscht Einigkeit darüber, dass Herbart die entscheidende Figur am Beginn des Antipsychologismus des XIX Jahrhunderts ist[1]. Seine klare Trennung zwischen Logik und Psychologie beruht jedoch auf der radikalen Unterscheidung zwischen normativ und deskriptiv. Diese erfährt später bei Lotze eine klassische Neuformulierung mit der Idee der Geltung, auf die wir bereits hingewiesen haben. Mit der Einführung dieser Idee, die untrennbar eine Unterscheidung zwischen objektiv und real impliziert, findet eine Deontologisierung des Platonismus statt. Aber gerade die Gefahr einer solchen Ontologisierung zwang Herbart, der die Zwei-Welten-Theorie ablehnte, auf dem Begriff der Idealität als Normativität zu beharren [2. S. 82]. Bei Lotze wird die Idee einer Normativitätsebene als Wert zum ersten Mal deutlich explizit gemacht. Handelt es sich hier allenfalls um eine allmähliche Radikalisierung von Elementen, die bereits bei Herbart vorhanden sind, finden wir in der Psychologie einen radikalen Bruch.
Herbart ist eine entscheidende Figur in der Formulierung einer Psychologie als Naturwissenschaft, die reduktionistisch, nomothetisch, mathematisiert und in der Perspektive einer dritten Person entwickelt ist. Genau dies ist der zentrale Punkt, in dem sich Lotze von ihm distanziert. Im Gegensatz zur Herbart‘schen Psychologie, die die Subjektivität auf ein mechanisches Spiel von Vorstellungen reduziert, schlägt Lotze eine Ich-Psychologie vor, die das Subjekt als wesentlich aktiv denkt.
Es gibt eine Kontinuitätslinie im Platonismus des XIX. Jahrhunderts von Herbart zu Lotze und von Lotze zu Frege und Husserl. Nun wird dieser Platonismus bei Herbart zunächst zusammen mit einem Naturalismus gedacht, der die Idee der Subjektivität bestimmt. Die Frage ist aber, inwieweit es eine befriedigende Integration beider Momente geben kann. Lotze wird eindeutig der Meinung sein, dass diese Integration nicht möglich ist und dass daher der Platonismus als sein notwendiges Korrelat eine nicht-naturalistische Konzeption der Subjektivität verlangt. Damit beginnt ein Prozess, der, wie wir wissen, in Husserl seinen Höhepunkt finden wird. Mit diesem Prozess wollen wir uns nun beschäftigen. Aus Platzgründen werden wir uns auf die Analyse des Verhältnisses zwischen Herbart und Lotze konzentrieren, auch wenn wir, um dessen philosophische Bedeutung hervorzuheben, auf Frege und Husserl als den Horizont verweisen werden, der die volle Dimension der von Lotze eingeleiteten entscheidenden Wende offenlegt.
Die Psychologien von Herbart und Lotze in der Geschichte der Psychologie des XIX. Jahrhunderts
Es gibt umfangreiche Literatur, die sich speziell mit den psychologischen Theorien von Herbart und Lotze befasst und schließlich detaillierte vergleichende Analysen zwischen beiden bietet. Aus diesem Grund sei für diejenigen, die sich speziell für diesen Punkt interessieren, auf diese Literatur verwiesen [3–5]. Wir werden hier nur die Grundzüge der Psychologietheorie des einen und des anderen berücksichtigen, um uns speziell auf den Aspekt zu konzentrieren, der aus der Sicht des Psychologismusstreits relevant ist, weil er eine für diese Polemik entscheidende Veränderung in der Konzeption der Subjektivität aufzeigt.
Die grundlegenden Thesen Herbarts zur Psychologie
Herbart ist eine Leitfigur im Prozess der Konstituierung einer wissenschaftlichen Psychologie im XIX. Jahrhundert. Seine Hauptthesen in dieser Hinsicht sind die folgenden:
- Die Psychologie ist eine Naturwissenschaft; ihr Hauptziel ist — in Analogie zur Physik — die Aufstellung eines Systems von Gesetzen zur Erklärung einer Reihe von Phänomenen [6. S. 198, 203].
- Dies impliziert, dass das psychische Leben in seiner Gesamtheit durch das mechanische Spiel der Vorstellungen erklärt werden muss [7. S. 15, 38].
- Die Vorstellungen, die schließlich unbewusst sind, sind die elementare psychische Einheit [7. S. 15].
- Herbarts naturalistische und mechanistische Psychologie bietet sich als Alternative zu der im XVIII. Jahrhundert vorherrschenden Vermögenspsychologie an, die sich bekanntlich im Rahmen der Wolff'schen Schule entwickelt und ihre klassische Form gefunden hat, nach der es drei grundlegende, gegenseitig irreduzible Modi der Psyche gibt: Vorstellen, Fühlen und Wollen. Die Vermögenspsychologie wird von Herbart heftig kritisiert, da sie ein Überbleibsel der metaphysischen Mythologie sei, da sie Phänomene ähnlicher Art substanzialisiere. Im Gegensatz zur Idee irreduzibler psychischer Modi vertritt Herbart eine radikal reduktionistische These, wonach alle psychischen Phänomene, die nicht in sich selbst Vorstellungen sind, aus und durch eine Kombination dieser Vorstellungen erklärt werden müssen [7. S. 8, 12].
- Es gibt jedoch einen zweiten entscheidenden Aspekt, der seine Kritik motiviert. “Vermögen” sind charakteristische, aber auch angeborene Handlungsweisen. Herbarts empirizistische Radikalisierung leugnet nicht nur angeborene Ideen, sondern auch alle angeborenen Handlungsweisen und damit die These von der Psyche als wesentlich aktiv. Eine Konsequenz von Herbarts Leugnung der Vermögenspsychologie ist also die radikale Leugnung aller Aktivität der Psyche [6. S. 199, 233, 258, 267].
- Die Konsequenz daraus ist letztlich eine mechanistische Auffassung des psychischen Lebens, die die Begriffe der transzendentalen Freiheit oder des reinen Selbst vor allem in ihrer fichteanischen Fassung verneint. So wie es keine “Vermögen” gibt, so gibt es auch kein ursprüngliches Selbstbewußtsein [2. S. 213].
Die grundlegenden Thesen von Lotze zur Psychologie.
Für Lotze sind in der Psychologie drei Momente deutlich zu unterscheiden: eine deskriptive Psychologie, eine mechanische Psychologie und eine spekulative Psychologie. Während die erste darauf abzielt, die Teile des psychischen Lebens und die Art und Weise ihrer Zusammensetzung zu beobachten, sucht die zweite die Prozesse, denen sie unterworfen sind, kausal zu erklären, während die dritte zu verstehen sucht, was der Sinn und das Ziel dieser eigentümlichen Form des Daseins ist, die “Psyche” genannt wird. Es ist klar, dass die mechanische Psychologie von Lotze dem entspricht, was Herbart als Psychologie versteht, während die spekulative Psychologie sich mit Fragen beschäftigt, die in irgendeiner Weise in Herbarts Metaphysik vorhanden sind. Der Hauptpunkt der Divergenz liegt also in der deskriptiven Psychologie: hierauf wird sich Lotzes radikale Kritik an Herbarts Position konzentrieren.
- Die deskriptive Psychologie wird in der Perspektive der ersten Person entwickelt, auch wenn sie von einem konsequent phänomenologischen Standpunkt aus gesehen viel zu wünschen übrig lässt.
- Lotze kritisiert Herbarts Angleichung der Psychologie an die Naturwissenschaft, indem er den Sinn des Aufbaus einer Psychologie nach diesem Modell grundsätzlich in Frage stellt und auf der Besonderheit des Psychischen im Gegensatz zum Physischen besteht [8. S. 17]. Das Grundproblem Herbarts besteht nach Lotze darin, dass er die Eigenart des Psychischen aus den Augen verliert, indem er es mit der Bewegung der Körper gleichsetzt.
- Folgerichtig wendet sich Lotze gegen Herbarts Grundvoraussetzung seines reduktionistischen Programmsund nämlich, dass Vorstellungen unterschiedliche Stärkegrade haben. Für Lotze ist jeder angebliche quantitative Unterschied zwischen Vorstellungen in Wirklichkeit ein Unterschied im Inhalt der Vorstellungen [8. S. 18].
- Lotze gibt die radikale Kritik an der Vermögenstheorie auf und kehrt dazu zurück, sowohl eine irreduzible phänomenale Vielfalt in den Modi der Psyche als auch eine Aktivität in einigen von ihnen anzuerkennen. Folglich bekämpft er den Herbart'schen Reduktionismus, demzufolge die Vorstellungen die einzigen autonomen psychischen Phänomene und Fühlen sowie Wollen abgeleitete Phänomene sind, und behauptet, dass alle drei gleichermaßen ursprünglich sind [8. S. 74–76; 9. S. 261, 264, 277, 280, 287]. Die Lotze'sche Vermögenstheorie unterscheidet sich jedoch entscheidend von der klassischen in dem, was sie über Gefühl und Wollen sagt.
- Es gibt eine geschichtete Struktur der Psyche auf zwei Ebenen, je nach ihrer unterschiedlichen Beziehung zum Körper. Während es psychische Aktivitäten gibt, die von bestimmten Organen abhängen, gibt es andere, die vom organischen Substrat unabhängig sind [10. S. 144–145][2]. Aus diesem Grund gibt es zwar psychische Tätigkeiten, die mechanischen Gesetzen unterliegen, aber auch solche, die das nicht tun, die aber mehr oder weniger spontan ablaufen. In dieser Situation befinden sich insbesondere alle höheren psychischen Aktivitäten, die wir als eigentlich rational oder geistig betrachten können [8. S. 74].
- In Wirklichkeit gibt es nie eine rein passive Aufnahme von Reizen, sondern immer charakteristische Reaktionsweisen, die in diesem Sinne eine Art von Aktivität beinhalten. Ebenso ist ein komplexes psychisches Geschehen nicht immer das Ergebnis einer mechanischen Verbindung, sondern erfordert verschiedene Formen der Beteiligung eines aktiven Ichs.
- Wenn für Herbart die Grundform der Psyche die Vorstellung ist, so ist für Lotze das Gefühl ein wesentliches, nicht reduzierbares und ursprüngliches Element des psychischen Lebens, das einen inneren Bezug zur Bewertung hat [8. S. 44, 209].
- Die Idee, dass es keine absolut neutrale Vorstellung gibt, sondern dass in jeder Vorstellung immer ein affektives Element vorhanden ist, muss mit der Idee einer Schichtung des psychischen Lebens in Abhängigkeit von seiner Beziehung zu seinem entsprechenden organischen Substrat in Verbindung gebracht werden. Dies führt zu einer klaren Unterscheidung von drei Typen von Formen des affektiven Lebens, die vom tierischen Gefühl, das das Überleben zum Hauptzweck hat, bis zu den wirklich geistigen Gefühlen reichen, die für die Bestimmung der Seele als vernünftiges Wesen wesentlich sind [8. S. 16].
- Es sei bemerkt, dass das affektive Element ein entscheidender Faktor bei der Bildung des Selbstbewusstseins ist. Ein Wesen, das nur ein Vorstellungsvermögen besitzt, würde sich niemals dem gegenüberstellen, was es nicht ist, und es wäre daher nicht notwendig, dass es Selbstbewusstsein erlangt [8. S. 48].
- Wie das Gefühl ist auch der Wille eine ursprüngliche Funktion der Psyche. Allerdings ist nicht alles Wille, was üblicherweise als solcher bezeichnet wird, denn mit dem Begriff “Wille” werden Phänomene bezeichnet, die eigentlich dem Vorstellen oder dem Fühlen zuzuordnen sind und zu letzterem gehören. So sind z. B. Instinkt oder Trieb und Streben genau genommen nichts anderes als Gefühle, die ohne Unterbrechung in eine Handlung hineinprojiziert werden. Nur was sich auf der Ebene der Freiheit befindet, kann im eigentlichen Sinne “Wille” genannt werden [9. S. 277–282]. Wenn dies zutrifft, dann müssen wir sagen, dass nur Entscheidungen, Entschlüsse [9. S. 280–285] als wirklich freie Phänomene angesehen werden können, d.h. Akte bewusster und ausdrücklicher Wahl zwischen Alternativen, die nicht durch vorhergehende psychische Ereignisse bestimmt sind. Während die Psyche in der Vorstellung und im Gefühl, nicht weniger als in den niederen und uneigentlichen Formen des Wollens, einer strengen Gesetzlichkeit unterworfen ist und somit absoluter Determinismus herrscht, betreten wir im Falle des eigentlichen Willens die Sphäre der Freiheit [9. S. 277–279]3.
Vergleich von Herbart und Lotze in der Frage der Psychologismuskritik und ihres Verhältnisses zur Theorie der Psychologie
Aus dem bisher Gesagten geht hervor, dass sich der Hauptunterschied zwischen den Psychologien von Herbart und Lotze letztlich auf den Gegensatz zwischen Passivität und Aktivität oder, wenn man so will, zwischen Mechanismus und Spontaneität konzentriert. Die Frage, die wir uns nun stellen müssen, ist, wie sich dieser Unterschied auf ihren jeweiligen Antipsychologismus und schließlich auf ihre unterschiedliche Rolle in der Entwicklung des PS auswirkt. Der Punkt, der hervorzuheben ist, dass dieser Unterschied relevante Konsequenzen für die Begründung des Zugangs zur Objektivität seitens eines realen psychologischen Subjekts hat.
Wir haben immer wieder gesehen, dass Herbarts Perspektive auf die Psyche eine Dritte-Personen-Perspektive ist. Dieser Punkt ist entscheidend dafür, wie Herbart das Problem der Begründung von Objektivität angehen kann, nämlich als Möglichkeit einer rein äußerlichen Übereinstimmung zwischen der naturalistischen Ebene der mechanischen Bestimmung und der normativen Ebene des Wertes. Diese Übereinstimmung kann sich schließlich auf elaboriertere Formen beziehen, etwa auf den Versuch, eine vorgegebene Harmonie zwischen natürlicher und normativer Ordnung zu begründen. Dieser Weg wird sogar noch einige Jahrzehnte später im Neokantianismus von Windelband Ernst genommen, dessen Grundlage nicht über die Behauptung der Nicht-Notwendigkeit einer inneren Unvereinbarkeit der beiden Ordnungen hinausgeht. Innerhalb der gleichen Tendenz, aber mit einer gewissen Verfeinerung, wird Bauch versuchen, nicht die Unmöglichkeit, sondern die Notwendigkeit der Übereinstimmung durch eine Transzendentalisierung der Natur selbst zu begründen.
Lotzes Betrachtung der Subjektivität als wesentlich spontan eröffnet ihm eine weitere Möglichkeit, in deren Dienst diese Betrachtung tatsächlich steht: Die These einer aktiven Psyche ist grundlegend, um die Möglichkeit objektiver Erkenntnis zu legitimieren. Wenn nun der Begriff der Spontaneität eine zentrale Rolle spielt, so wirkt er differenziert auf verschiedenen Ebenen.
Die erste und grundlegendste Form der Spontaneität ist die Einführung der Möglichkeit, mittels relationaler Aktivität über die bloße chaotische und zufällige Gegebenheit von Vorstellungen hinauszugehen, um sie mit einer Artikulation von Bedeutung zu versehen. Es ist der Übergang vom bloßen Zusammengeraten zum thematischen Zusammengehören [1. S. 14], der erste unabdingbare Schritt für die Bildung der elementaren Einheiten (der “Bausteine” wie Lotze sie nennt), die weitere Kombinationen und schließlich den Aufbau eines wirklich logischen Universums jenseits des psychologischen zu ermöglichen.
Aber diese erste Form der Spontaneität in der Konstruktion der logischen Welt ist nur der Ausgangspunkt einer Reihe von anderen Tätigkeiten, die darauf aufbauen und in Akten des Urteils und der Schlussfolgerung gipfeln, d.h. in Akten der Zuschreibung von Wahrheitswerten und der Begründung dieser Zuschreibung. Diese Akte — das ist der entscheidende Punkt — müssen nicht mehr als irgendwie “spontan”, sondern als völlig frei gedacht werden [10. S. 144–145].
Aber die Zuschreibung von Wahrheitswerten ist nur ein Sonderfall in dem allgemeinen und umfassenderen Phänomen der objektiven Zuschreibung von Werten, die nicht nur theoretisch, sondern auch ethisch oder ästhetisch sein kann [10. S. 144–145]. In diesem Fall müssen wir im Gegensatz zum vorhergehenden Fall eine entscheidende Beteiligung des Gefühls berücksichtigen. Die Gefühle, um die es hier geht, sind jedoch solche, die höhere psychische Phänomene einschließen und daher auch in den Bereich der Spontaneität fallen, da sie sich ausschließlich mit den Interessen des Geistes als solchem befassen.
Auch wenn es wichtige Unterschiede zwischen der theoretischen, ethischen und ästhetischen Bewertung gibt, die die Notwendigkeit einer detaillierten Analyse deutlich machen, so darf doch nicht aus den Augen verloren werden, was all diesen Phänomenen in ihrer Beziehung zur Sphäre der Gültigkeit und des Wertes gemeinsam ist. Letztlich geht es immer um dasselbe: Höhere psychische Akte, die nicht von physiologischen Konditionierungen abhängen und daher mechanisch reduzierbar wären, sondern eine Spontaneität aufweisen, sind unerlässlich, um unseren Zugang zum Bereich des Wertes zu gewährleisten.
Die Frage nach dem “Übergangs vom Subjektiven zum Objektiven”
Wenn wir im vorangegangenen Abschnitt auf den radikalen Unterschieden zwischen den Psychologien von Lotze und Herbart bestanden haben, müssen wir in diesem Abschnitt zunächst auf eine wichtige Übereinstimmung zwischen den beiden aufmerksam machen, um dann von dort aus auf deren Unterschiede | in einer tieferen Weise zurückzukommen. Die grundlegende Übereinstimmung in den Subjektivitätskonzeptionen von Herbart und Lotze besteht in der uneingeschränkten Akzeptanz des Immanenzprinzips (IP) [1. S. 493; 6. S. 71–72; 12. S. 15; 13. S. CVIII-CIX]. Unter dem IP verstehen wir die cartesianisch-lockeanische These, dass das Subjekt nur einen direkten und unmittelbaren Zugang zu seinen eigenen immanenten psychischen Inhalten oder “Vorstellungen” (ideias) hat, so dass jede Verbindung, die es zu einem anderen Objekt herstellt, nur als indirekt gedacht werden kann. Die Ableitungen aus der Annahme des IP sind jedoch sehr unterschiedlich, je nachdem, ob sie mit der Perspektive der ersten oder der dritten Person sowie mit der Betrachtung der Subjektivität als im Wesentlichen aktiv oder passiv verbunden sind. Im Rahmen einer Ich-Perspektive und eines aktiven Subjekts führt das IP zur Frage des “Übergangs vom Subjektiven zum Objektiven”. Wenn das Subjekt nur Zugang zu seinen eigenen Vorstellungen hat, die an sich wesentlich privat sind, wie kann dann aus ihnen eine intersubjektive Welt von objektiver Gültigkeit konstruiert werden?
Die Forderung nach einer Theorie der Subjektivität, die mit dem Antipsychologismus in Einklang steht, war unter den Psychologisten von den ersten Momenten der Polemik an präsent und wurde, mit Variationen, während der gesamten Polemik aufrechterhalten, von Exner [14] bis Lipps [15]. Die Frage des “Übergangs vom Subjektiven zum Objektiven” war eine dieser Variationen, die erstmals ausdrücklich von Kerry [16] formuliert wurde.
Bei Herbart wird, wie wir gesehen haben, das Problem, eine dem Antipsychologismus entsprechende Konzeption der Subjektivität anzubieten, völlig ignoriert und die Garantie der Objektivität letztlich auf eine Variante der These von der vorgegebenen Harmonie verwiesen. Bei Lotze hingegen ist das volle Problembewusstsein und der Versuch einer Lösung bereits vorhanden. Aber die unkritische Beibehaltung des IP macht es notwendig, diesem Problem eine spezifische Formulierung zu geben, nämlich die der Frage nach dem “Übergang vom Subjektiven zum Objektiven”. Diese Frage ist jedoch nur eine Möglichkeit, die Frage der Subjektivität als die wesentliche Kehrseite des Antipsychologismus zu manifestieren, aber nicht das letzte Wort. Mit anderen Worten: Die Frage, ob eine Theorie der Subjektivität in Übereinstimmung mit dem Antipsychologismus anzubieten ist, ist diesem zwar inhärent, nicht aber die Formulierung dieser Frage als Frage nach dem Übergang vom Subjektiven zum Objektiven, denn sie macht nur unter der Voraussetzung des IP Sinn, verliert aber ihren Sinn, wenn man dieses Prinzip fallen lässt. Genau dies geschieht zuerst bei Frege [17] und dann bei Husserl [18], der einerseits den Begriff der abstrakten, für die Subjektivität absolut transzendenten Objekte einführt, andererseits aber den Zugang des realen psychologischen Subjekts zu diesen Objekten garantiert, indem er die Idee der Intentionalität verfeinert und die These verneint, dass das Subjekt nur einen direkten und unmittelbaren Zugang zu seinen eigenen Vorstellungen hat. In dieser entscheidenden Bewegung wird, und zwar nicht zufällig, sondern aus einer inneren systematischen Notwendigkeit heraus, die Kritik von Frege und Husserl an Lotze, vor allem im Hinblick auf seine Pflege des IP, eine grundlegende Rolle spielen, auch wenn in beiden Fällen der entscheidende Einfluss des Autors des “Mikrokosmus” [18–20] nicht unerkannt bleiben kann.
Schlussfolgerung
In der Entwicklung der antipsychologischen Bewegung innerhalb des PS nimmt Lotze eine Zwischenstellung zwischen den Positionen von Herbart einerseits und Frege und Husserl andererseits ein. Wenn der Antipsychologismus in seinen Herbart‘schen Anfängen trotz seines anfänglich eigentümlichen normativen “Platonismus” mit einem “Naturalismus” koexistiert, so ergibt sich daraus eine gewisse Unzulänglichkeit, die sich entscheidend auf seine Subjektivitätskonzeption auswirkt. Es ist dieser “Naturalismus”, dem Lotze entschieden entgegentritt und den er zu überwinden sucht, indem er eine Vision der Subjektivität in der ersten Person entwickelt, die versucht, die Idee einer Spontaneität zu begründen und zu legitimieren, die nicht dem kausalen Verlauf der Natur unterworfen ist. Diese Überwindung des Naturalismus zeigt sich jedoch darin, dass die Verbindung zur Vergangenheit aufrechterhalten wird, indem die Voraussetzung des IP nicht in Frage gestellt wird. Aus diesem Grund nimmt die Aufgabe, eine dem Antipsychologismus entsprechende Konzeption der Subjektivität zu konstruieren, eine eigentümliche Form an, die in der weiteren Entwicklung aufgegeben wird. Dieser Verzicht wird von Frege eingeleitet und findet seine endgültige und ausgereifte Form bei Husserl.
1 Die retrospektive Beurteilung von Bolzano zu diesem Punkt entspricht nicht der tatsächlichen Entwicklung des Prozesses. Bolzano wird erst seit dem Ende des XIX. Jahrhunderts und im Rahmen der Brentano-Schule gelesen und verstanden, bis dahin ist er eine marginale und nahezu unbekannte Figur.
2 Wenn Herbart die bevorzugte Zielscheibe der Lotze'schen Psychologie ist, so ist er nicht die einzige. Auch der Materialismus ist Gegenstand einer ausdrücklichen Kritik und Gegenstand einer Polemik, die ein zentrales Moment des Materialismusstreits darstellt. In jedem Fall und trotz der Besonderheiten der Kritik an dem einen oder dem anderen ist das zentrale Motiv immer der Widerstand gegen alle Formen des Reduktionismus und die Wahrung der Freiheit. Dass die Seele eine geistige Substanz ist und dass der Materialismus die wesentliche Einheit des Bewusstseins nicht erklären kann, sind wiederkehrende Themen bei Lotze [8. S. 56, 61].
3 Zur Lotze'schen Theorie der Freiheit siehe [11].
Об авторах
Марио Ариэль Гонсалес Порта
Папский Католический университет Святого Павла
Автор, ответственный за переписку.
Email: mariopor@pucsp.br
ORCID iD: 0000-0001-8220-1540
доктор философии, профессор, кафедра философии
Сан-Паулу, БразилияСписок литературы
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